Von Bobbycars, Schnappschildkröten und "echten Skandalen" / 11. Augsburger Mediengespräche zur "Skandalisierung in den Medien"
(ots) - Zwischen der "Skandalisierung des Banalen" und der
Aufdeckung "echter Skandale" in den Medien zu unterscheiden, ist im 
Zeitalter der "Aufmerksamkeitsökonomie" gar nicht mehr so leicht, 
zumal die Aufmerksamkeit der Mediennutzer mit der Prominenz der 
handelnden Personen steigt. Es sei aber mehr als notwendig, genau zu 
differenzieren, welche "Sau gerade durch's Dorf getrieben" werde, 
appellierte der Fernseh- und Netzjournalist Richard Gutjahr gestern 
bei den 11. Augsburger Mediengesprächen an die Verantwortung seiner 
Kollegen.
   Auf Einladung der BLM, der lokalen Medienunternehmen und der Stadt
Augsburg verfolgten im Rathaussaal knapp 300 Besucher eine spannende 
Diskussion zum Thema "Skandalisierung in den Medien - Kontrollverlust
in der digitalen Welt?". Das hochkarätig besetzte Podium mit 
Vertretern aus Medien, Politik und Wissenschaft war sich einig, dass 
der Konkurrenzkampf der Medien sowie die beschleunigten 
Kommunikationswege in der digitalen Welt mehr denn je 
Qualitätsjournalismus erforderten. "Wo professionelle Gatekeeper und 
eine Qualitätskontrolle fehlen, gerät der vermeintliche Skandal 
schnell zum inszenierten Drama", warnte BLM-Präsident Siegfried 
Schneider in seiner Eröffnungsrede. Und der Augsburger Bürgermeister 
Hermann Weber betonte, dass die Medien in einer demokratischen 
Gesellschaft nicht nur Kritik- und Kontrollfunktion hätten, sondern 
auch "Garant für ein respektvolles Miteinander" sein müssten.
   Gibt es dieses Miteinander in der "Empörungsdemokratie" überhaupt 
noch? Laut Medienwissenschaftler und Buchautor Prof. Dr. Bernhard 
Pörksen liegt Skandalen ein Beziehungsdreieck zugrunde: Der 
Skandalschrei der Medien stehe als Ultrakurzformel für das "Werben um
Aufmerksamkeit". Das Publikum zeige Interesse an archetypischen 
Situationen wie dem Fall eines (politischen) Helden. Wie wichtig für 
einen Politiker der Umgang mit den Medien geworden ist, bestätigte 
der ehemalige bayerische Justizminister Alfred Sauter: Sacharbeit 
interessierte heute doch keinen mehr. Erst, wenn etwas passiere, 
"bist du auf einmal interessant. Das kriegen Sie nicht mehr los." Die
Empörung der Öffentlichkeit wachse mit der Prominenz des 
"Delinquenten" und dessen moralischer Fallhöhe, ergänzte Walter 
Roller, Chefredakteur der Augsburger Allgemeinen Zeitung.
   Die Fälle Wulff, Guttenberg und Hoeneß sind für 
Kommunikationsberater Michael Spreng allerdings schlechte Beispiele 
für die Skandalisierung in den Medien. Es wären "echte Skandale" 
gewesen, die von den Betroffenen durch professionelles 
Kommunikationsverhalten (keine Salamitaktik etc.) abgekürzt hätten 
werden können. Spreng stimmte der Moderatorin Silvia Laubenbacher von
a.tv Augsburg zwar zu, dass es einen Trend zur Trivialisierung der 
Politik durch Medien gebe, diese aber auch die Pflicht zur Aufklärung
hätten: "Wir tragen eine Mitschuld, wenn wir skandalisieren, nicht, 
wenn wir Skandale aufdecken."
   Den Trend zur Lust am Skandal und zur Personalisierung räumten 
sowohl Roller als auch Gutjahr ein: "Wo ist denn der Killerinstinkt 
der Medien bei wirklich relevanten Geschichten wie der Snowdenaffäre 
geblieben?", fragte Gutjahr, der sich darüber ärgerte, dass teilweise
die Schnappschildkröte im Baggersee für mehr Berichterstattung als 
wirklich gute Stories sorge. Der Kampf um Auflage, Quote und Klicks 
führe manchmal zu einer "bewussten Skandalisierung".
   Es gibt aber keine reinen "Netzskandale", darin waren sich die 
Diskutanten einig. Die Spirale werde entweder von unten aus dem Netz 
angekurbelt (Fall Köhler) oder von Leitmedien wie "Bild" oder 
"Spiegel" losgetreten. Entscheidend sei der Mix aus klassischen 
Medien und der Öffentlichkeit im Internet. Die Anonymität des Netzes,
moralisch aufgeladene Diskussionen und das gegenseitige Mobbing in 
der Politik tragen allerdings dazu bei, dass ein "respektvolles 
Miteinander" immer seltener wird, oder wie es Spreng ausdrückte: Im 
Internet gebe es eben nicht nur Schwarmintelligenz, sondern auch 
Schwarmfeigheit.
   Vor diesem Hintergrund könnte seriöse Medienberichterstattung 
Skandale "entschleunigen" und eine Relevanzbewertung vornehmen, regte
Printjournalist Roller an, nach dessen Einschätzung es künftig keine 
"Klickdemokratie" geben wird. Auch der Landtagsabgeordnete Sauter 
zeigte sich optimistisch: "Wir sind vom digitalen Zeitalter 
überfallen worden. Mittelfristig werden sich die Menschen aber 
bewusst machen, dass sie ein gehöriges Stück Verantwortung tragen."
   Eine Zusammenfassung der Augsburger Mediengespräche ist am Samstag
um 20:30 Uhr und am Sonntag um 16:30 Uhr im Programm von a.tv zu 
sehen.
   Bilder in hoher Auflösung der Veranstaltung Augsburger 
Mediengespräche 2013: http://ots.de/QTYyD
   Fotogalerie Augsburger Mediengespräche 2013: http://ots.de/dfQA4
   Diese Informationen finden Sie auch im Internet unter: www.blm.de
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Bettina Pregel
Stellv. Pressesprecherin
Tel. (089) 63808-318
bettina.pregel(at)blm.de
      
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Datum: 09.10.2013 - 08:32 Uhr
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