ROG: Mord an Journalist Hrant Dink nach zehn Jahren immer noch nicht aufgeklärt
(ots) - Zehn Jahre nach der Ermordung des 
türkisch-armenischen Journalisten Hrant Dink fordert Reporter ohne 
Grenzen (ROG) die türkische Justiz auf, den Fall endlich lückenlos 
aufzuklären und alle Hintermänner zu verurteilen. Der Herausgeber der
türkischen-armenischen Zeitung Agos wurde am 19. Januar 2007 in 
Istanbul erschossen. Zunächst wurden zwei Rechtsradikale als 
alleinige Täter zu langjährigen Haftstrafen verurteilt, bis ein 
Gericht 2013 das Urteil kippte und eine gründliche Ermittlung auch 
gegen die mutmaßlichen Anstifter in die Wege leitete 
(http://t1p.de/9kw2). Mittlerweile stehen hochrangige 
Sicherheitsbeamte vor Gericht. Doch Dinks Familie wartet bis heute 
auf Gerechtigkeit.
   "Von Beginn an gab es genug Hinweise, dass der Mord an Hrant Dink 
nicht die Tat einer kleinen Gruppe von Fanatikern war. Vieles deutete
auf ein Mordkomplott hin, an dem auch Staatsbeamte beteiligt waren", 
sagte ROG-Geschäftsführer Christian Mihr. "Zehn Jahre nach der 
Ermordung Hrant Dinks muss die Justiz die Tat endlich lückenlos 
aufklären und die Drahtzieher verurteilen, und darf das Verfahren 
nicht für politische Zwecke missbrauchen."
   Im Januar 2007 wurde Hrant Dink vor seinem Büro im Istanbuler 
Stadtteil Sisli erschossen. Der damals 53-Jährige hatte sich für die 
Versöhnung von Armeniern und Türken eingesetzt. Wegen seiner Artikel 
zum Massaker an den Armeniern war er immer wieder ins Visier der 
Justiz geraten. Im Jahr 2005 verurteilte ihn ein Gericht wegen 
"Beleidigung des Türkentums" zu einer Haftstrafe von sechs Monaten 
auf Bewährung (http://t1p.de/45ly).
   Einen Tag nach dem Mord an Dink nahm die Polizei den damals 
17-jährigen Rechtsradikalen Ogün Samast fest. Doch das Verfahren 
gegen den Schützen verlief schleppend und verzögerte sich 
(http://t1p.de/72x6). Bereits 2007 gab es Beweise, dass die Behörden 
insbesondere in der nordöstlichen Stadt Trabzon, wo Samast lebte, 
über die Pläne der Ermordung informiert waren. Dennoch weigerte sich 
die Justiz zunächst, die betroffenen Sicherheitskräfte strafrechtlich
zu verfolgen (http://t1p.de/1wm1).
   POLIZEI POSIERT MIT MÖRDER, BEWEISMATERIAL VERSCHWINDET
   Ein paar Wochen nach der Ermordung strahlte der private 
Fernsehsender TGRT ein Video aus, auf dem Samast kurz nach seiner 
Verhaftung zu sehen ist. Er posiert mit einer türkischen Flagge für 
die "Erinnerungsfotos" lokaler Polizisten (http://t1p.de/ybr8). Die 
Anwältin der Familie gab damals zudem an, dass die Videobänder der 
Überwachungskamera einer Bank in der Nähe des Tatortes nach der 
Übergabe an die Polizei verschwunden waren (http://t1p.de/1wm1).
   Im September 2010 stellte der Europäische Gerichtshof für 
Menschenreche (EGMR) einstimmig die Mitverantwortung des türkischen 
Staates für die Ermordung Dinks fest (http://t1p.de/au64). Damit 
gaben die Richter in Straßburg der Klage von Rakel Dink, der Witwe 
des Ermordeten, statt und verurteilten den türkischen Staat zur 
Zahlung einer Entschädigungssumme an Dinks Familie. Laut EGMR hatte 
der türkische Staat die Europäische Menschenrechtskonvention 
verletzt, indem er versäumte, das Leben des Journalisten zu schützen,
obwohl die staatlichen Organe - allen voran der Geheimdienst - über 
die Absichten der rechtsradikalen Täter aus erster Quelle informiert 
waren.
   HOCHRANGIGE SICHERHEITSKRÄFTE VOR GERICHT
   Im Juli 2011 verurteilte ein Jugendgericht in Istanbul Samast zu 
einer Haftstrafe von 22 Jahren und 10 Monaten (http://t1p.de/k1up). 
Ein halbes Jahr später verurteilte ein Gericht den Rechtsnationalen 
Yasin Hayal als Anstifter zu lebenslanger Haft.
   Im Mai 2013 kippte der Kassationshof in der Türkei das Urteil, 
dass Samast im Auftrag eines einzigen Anstifters gehandelt haben soll
und ebnete so den Weg für eine gründlichere Suche nach möglichen 
Hintermännern (http://t1p.de/9kw2). Im Januar 2015 nahm die Polizei 
die beiden türkischen Polizisten Özkan Mumcu und Muhittin Zenit fest.
Weil sie den Mord an Dink trotz Informationen über einen drohenden 
Anschlag nicht verhindert und die Tat nicht ausreichend untersucht 
hatten, wurde ihnen "Fahrlässigkeit", "fahrlässige Tötung" und 
"Amtsmissbrauch" vorgeworfen. Es war das erste Mal, dass 
Staatsbedienstete wegen des Mordes gegen Dink angeklagt wurden 
(http://t1p.de/bxm1).
   Im April 2016 begann ein Prozess gegen hochrangige 
Sicherheitsbeamte wegen möglicher Verbindungen zum Mord an Dink, 
darunter der ehemalige Polizeichef Istanbuls, Celalettin Cerrah 
(http://t1p.de/r38u). In dieser Woche finden nach Angaben der 
türkisch-armenischen Zeitung Agos, für die Dink gearbeitet hatte, 
weitere Anhörungen gegen hochrangige Beamte vor einem Gericht in 
Istanbul statt (http://t1p.de/fpqm).
   Agos äußerte in einem Kommentar Ende 2014 die Befürchtung, die 
Regierung könne den Mord an Dink als "Waffe" gegen die Gülen-Bewegung
nutzen (http://t1p.de/f2mg). Einige der Verdächtigen im Fall sollen 
angeblich eine Verbindung zur Gülen-Bewegung haben.
   Auf der jährlichen Rangliste der Pressefreiheit stand die Türkei 
bereits vor dem Putschversuch im Juli 2016 auf Platz 151 von 180 
Staaten. Während des Ausnahmezustands, der vor einem halben Jahr 
verkündet wurde, hat die Repression gegen Journalisten ein nie 
gekanntes Ausmaß erreicht. Derzeit sitzen weit über 100 Journalisten 
in den Gefängnissen der Türkei. Weitere Infos zur Lage der Medien vor
Ort finden Sie unter www.reporter-ohne-grenzen.de/türkei.
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Datum: 18.01.2017 - 05:30 Uhr
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